Das Alphorn – Klang der Berge auf den Spuren der Naturtöne
Die Ursprünge des Alphorns verlieren sich im Nebel der Geschichte. Wann und wo es genau entstand, ist unbekannt.
Sicher ist jedoch: Hölzerne Blasinstrumente haben auf allen Kontinenten ihre Wurzeln. Ob Didgeridoos in Australien, Bambus- oder Holztrompeten bei indigenen Völkern Amerikas oder afrikanische Holzhörner – überall nutzten Menschen die Kraft des Holzes, um Töne zu erzeugen. Auch das Alphorn reiht sich in diese Tradition ein.
In der Schweiz wird das Alphorn erstmals 1527 schriftlich erwähnt: Ein Alphornbläser aus dem Wallis erhielt im Kloster St. Urban bei Luzern einen Batzen für sein Spiel. Doch vieles spricht dafür, dass die markanten Klänge schon lange davor in den Alpen zu hören waren.
Kommunikation mit Mensch und Tier
Über Jahrhunderte war das Alphorn vor allem ein Arbeitsinstrument der Hirten. Mit seinen Tönen rief man die Kühe von der Weide in den Stall zum Melken.
Ein Kupferstich von 1754 zeigt, wie ein Hirte die Tiere beim Alpaufzug mit Alphornklängen zum Weitergehen motiviert. Auf einem Hinterglasbild aus dem Emmental von 1595 ist zu sehen, wie das Horn wohl dazu genutzt wurde, die Kühe während des Melkens zu beruhigen.
Noch wichtiger war jedoch die Kommunikation: Alphornklänge hallten über Täler und Berge hinweg und ermöglichten den Austausch zwischen benachbarten Alpen und sogar mit den Dörfern im Tal. Unter günstigen Bedingungen trägt der Ton bis zu zehn Kilometer weit.

Vom Werkzeug zum Nationalsymbol
Mit der Verlagerung der Käseproduktion von den Alpen in die Dorfmolkereien verlor das Alphorn nach 1800 zunehmend seine Funktion.
Es wurde seltener gespielt und drohte zu verschwinden. Doch der Berner Schultheiss Niklaus von Mülinen erkannte den kulturellen Wert und liess in den 1820er Jahren Alphörner herstellen, die er in Grindelwald an talentierte Musiker verschenkte.
So wandelte sich das Alphorn vom praktischen Werkzeug zum Musikinstrument. Bald schon begeisterte es nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Touristen – und entwickelte sich im 19. Jahrhundert, in Zeiten von Romantik und aufkommendem Tourismus, zu einem Symbol der Schweiz. Heute ist es weltweit bekannt und steht wie kaum ein anderes Instrument für die Alpenregion.
Bau und Klang
Die Form des Alphorns hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Es ist ein langes, konisches Rohr mit einem nach oben gebogenen Ende, das an ein Kuhhorn erinnert.
Bis in die 1930er Jahre fertigte man Alphörner vor allem aus Kiefernholz, das an steilen Hängen langsam wuchs und enge Jahrringe aufwies. Die Stämme wurden aufgeschnitten, ausgehöhlt und wieder zusammengesetzt.
Heute nutzen Instrumentenbauer neben Kiefer auch Esche oder moderne Materialien wie Carbon. Die einzelnen Holzteile werden mit Ringen fixiert, während ein Mundstück das Spielen erleichtert und die Tonkontrolle verbessert.
Das Alphorn heute
Schon für die Hirten war das Alphorn nicht nur Werkzeug, sondern auch Musikinstrument. Über die Jahrhunderte entstand eine reiche Notenliteratur aus allen Landesteilen der Schweiz.
Heute ist das Alphorn fester Bestandteil der schweizerischen Musikkultur – als Klangsymbol der Alpen, Brücke zwischen Tradition und Moderne und stolzes Nationalsymbol.
